Unsere Forderungen an die Berliner Verwaltung und Politik
Kinder müssen auch in der Schule das Radfahren lernen können!
Die Situation in Berlin: Die Schere zwischen Kindern, in deren Familien das Radfahren üblich ist und die es daher im privaten Bereich lernen und Kindern, in deren Haushalt es kein Fahrrad gibt, wird immer größer. Es gibt bereits Schulklassen, in denen im Zusammenhang mit der Radfahrprüfung (4. Klassenstufe) festgestellt wird, dass nur noch die Hälfte der Kinder Radfahren kann. Diese schleichende Verschlechterung beim "Nachwuchs" für die Fahrradnutzung ist mit den politischen Zielen zur Förderung des Radverkehrs nicht vereinbar.
Unsere Forderung: Wir fordern den Senat auf, Mittel für die Erarbeitung einer Ausbildungskonzeption zum Radfahrenlernen in den Klassenstufen 1 bis 4 bereitzustellen und danach kontinuierlich die Aufwandsentschä-digungen für ehrenamtlich tätige Schulungskräfte zu finanzieren, die den entsprechend benachteiligten Kindern an den Schulen das Radfahren beibringen, sodass sie an der Fahrradprüfung in der 4. Klassenstufe teilnehmen können.
Eine solche Konzeption ist verwaltungstechnisch kein Hexenwerk, es gibt sie seit Jahrzehnten für andere Angebote z.B. im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums.
Bezirksübergreifende Mindeststandards für die Jugendverkehrsschulen
Die Situation in Berlin: In den derzeitigen Strukturen machen alle Beteiligten (Mitarbeitende, Bezirksverwaltungen, Polizei Berlin) einen wirklich guten Job. Allerdings ist das organisatorische Umfeld der Jugendverkehrsschulen nicht mehr zeitgemäß.
- Der Einsatz von festangestelltem Personal wird im Rahmen der 12 Bezirkshaushaltspläne entschieden und ist daher sehr uneinheitlich.
- Das meiste Personal wird von Beschäftigungsträgern im Rahmen von Arbeitsfördermaßnahmen bereitgestellt, kann daher häufiger wechseln und hat überwiegend keine pädagogische Vorbildung oder Kompetenzen in der Verkehrssicherheitsarbeit.
- Die Internetangebote sind sehr unterschiedlich: Teilweise von den Beschäftigungsträgern betrieben, teilweise auf den Seiten der Bezirksämter, mal aktuell und ausführlich, mal nur mit Basisinformationen. Online-Terminanfragen oder tagesaktuelle Änderungen sind unüblich. Die direkte Kommunikation per E-Mail mit den Mitarbeitenden vor Ort ist nur teilweise möglich.
Unsere Forderungen:
- Mindestens eine feste pädagogische Leitungsstelle und eine halbe Assistenzstelle pro Jungendverkehrs-schule, verankert im Haushalt der Senatsbildungsverwaltung (aktuell entscheiden die Bezirke über die feste Personalausstattung, die sehr unterschiedlich ist).
- Gemeinsamer Internetauftritt aller Jugendverkehrsschulen, Online-Terminbuchungsmöglichkeit für die Schulen, gleiche Mindestöffnungszeiten für die freien Übungsstunden am Nachmittag, gleiche Mindestangebote in der Verkehrssicherheits- und Mobilitätsbildung.
- Einrichtung einer regelmäßigen Abstimmungsrunde der Leitungspersonen der Jugendverkehrsschulen unter Mitwirkung der für Verkehr und Bildung zuständigen Senatsverwaltungen und der Polizei Berlin. Auch wir sind gerne bereit, daran mitzuwirken.
- Umsetzung der Empfehlungen zur besseren Organisation und zur Ausweitung des Angebots der Jugendverkehrsschulen aus dem Schlussbericht vom 12.02.2018 des "Pilotprojekts Jugendverkehrs-schulen (Phase 2)" im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.
- Veröffentlichung der von der "für die Jugendverkehrsschulen zuständige Senatsverwaltung entwickelt(en) gemeinsame(n) Qualitätsstandards für die Jugendverkehrsschulen" (siehe oben, Schulgesetz) und Unterlegung von deren Umsetzung mit einem Zeit-, Maßnahme- und Finanzierungsplan. Die Finanzierung ist im Landeshaushalt zweckgebunden zu sichern.
Verkehrsunterricht nach § 48 StVO für auffällige Verkehrsteilnehmende
Die Vorschrift lautet: "Wer Verkehrsvorschriften nicht beachtet, ist auf Vorladung der Straßenverkehrsbehörde oder der von ihr beauftragten Beamten verpflichtet, an einem Unterricht über das Verhalten im Straßenverkehr teilzunehmen."
Die Situation in Berlin: Dieser Unterricht wird seit vielen Jahren in Berlin nicht angeordnet und daher auch nicht durchgeführt, obwohl viele Fallkonstellationen denkbar sind, in denen Verkehrsteilnehmende abends oder am Wochenende zu z.B. 5 Schulungsterminen verpflichtet werden sollten. Derzeit wird leider seitens der Behörden angenommen, dass das richtige Verkehrsverhalten mit der Zahlung eines Bußgeldes oder eines Geldauflage automatisch erlernt ist.
Unsere Forderung: Schaffung einer Zuständigkeit bei einer (Straßenverkehrs-)Behörde (in Frage kommen die für Inneres, Justiz, oder Verkehr zuständigen Senatsverwaltungen), von Kriterien und einem Kontrollsystem zur Anordnung von Nachschulungen gem. § 48 StVO. Die Schulungen selbst können entweder von Mitarbeitenden der Verwaltung oder von beauftragten Verbänden, Unternehmen oder Verkehrsjuristen durchgeführt werden. Inwieweit die nachzuschulenden Personen an den Kosten beteiligt werden können, muss geprüft werden.
Verkehrssicherheitsprogramm des Senats - mit Evaluation dem Vergessen entreißen!
Die Situation in Berlin: Nach dem Anfang 2014 erfolgten Senatsbeschluss eines „Verkehrssicherheitsprogramm ‚Berlin Sicher Mobil‘ 2020“ ist dieses Papier schleichend in Vergessenheit geraten. Und obwohl immer wieder bekundet wurde, dass es sogar ein Nachfolgeprogramm geben soll, hat dessen Erarbeitung im Frühjahr 2021 noch nicht einmal begonnen! Das bietet zumindest die Chance, wenigstens nach dem Auslaufen des Programms 2020 wenigstens noch etwas daraus zu verwirklichen. Es ist schon erstaunlich, wie ein Senatsbeschluss von allen beteiligten Senatsverwaltungen über Jahre hinweg weitgehend ignoriert wurde.
Unsere Forderung: Unverzügliche Evaluation der im Programm vorgesehen Verkehrssicherheitsmaß-nahmen (Seiten 13 bis 19), Darstellung des (geringen) Umfangs von tatsächlich umgesetzten Maßnahmen und Begründung der Nichtumsetzung etlicher Maßnahmen, jeweils von den betroffenen Senatsverwaltungen. Darüber hinaus ist die für das Jahr 2017 beschlossene "Zwischenbilanz zum bis dahin erreichten Umsetzungsstand und zu den erzielten Wirkungen des Aktionsprogramms" zu veröffentlichen, die "eine Fortschreibung, Nachjustierung und partielle Umorientierung des Aktionsprogramms sowie eine Konkretisierung einzelner Maßnahmen ermöglichen" sollte (Seite 13).
Eine "Verkehrssicherheitskoordination" auf Staatssekretärsebene
Die Situation in Berlin: Viele Berliner Verwaltungsteile sind für isolierte Aspekte der Verkehrssicherheitsarbeit verantwortlich. Die Zuständigkeiten für die Polizei (Innenverwaltung), die Ordnungsämter (Bezirke), Mobilitäts-bildung in Schulen und Kitas (Bildungsverwaltung), Jugendverkehrsschulen (Bezirke), Verkehrsbildung für Senioren (Soziales) und die zügige Umsetzung von als sinnvoll anerkannten Baumaßnahmen (Finanzen, Senatsbau-verwaltung, Bezirke) verursachen Auseinandersetzungen über Finanz- und Organisationsfragen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Eigentlich typisch für Berlin, aber für schnelle Reaktionszeiten bei aktuellen Sicherheitsmängeln völlig ungeeignet. Das Verkehrssicherheitsprogramm 2020 (Laufzeit 2014-2020!) ist auch daran gescheitert, dass die jeweils teilzuständigen Verwaltungsebenen es weitestgehend ignoriert haben. Nicht einmal die rechtzeitige Erarbeitung eines Folgeprogramms ist gelungen.
Unsere Forderung: Da die Zusammenfassung der Zuständigkeiten vermutlich wieder neue Probleme an anderer Stelle schaffen würde, braucht Berlin eine für die Verkehrssicherheitsarbeit umfassend zuständige, regelmäßig tagende Runde auf Staatssekretärsebene, die gegenüber der (Fach-)Öffentlichkeit für den Einsatz der Finanzmittel aus den Senatsverwaltungen, für die Umsetzung von Maßnahmen und die Einhaltung der Senats- und Parlamentsbeschlüsse verantwortlich ist. Diese Staatssekretärsrunde sollte regelmäßig tagen und verpflichtet sein, die Öffentlichkeit jeweils anschließend (wie nach Senatssitzungen) über die Zeit- und Maßnahmepläne und Ergebnisse zu informieren.
Senat muss Vorbild sein bei Lkw-Abbiegeassistenten
Die Situation in Berlin: Wenn noch nicht einmal die dem Einflussbereich des Landes Berlin zuzurechnenden Lkw (Landes- und Bezirksverwaltungen, Polizei und Feuerwehr, landeseigene und landesbeherrschte (>50%) Unternehmen, Anstalten öffentlichen Rechts etc.) in nennenswertem Maß mit Abbiegeassistenen ausgerüstet sind, ist eine allgemeine politische Forderung der Verantwortlichen danach unglaubwürdig, weil die gleichen Ausreden aus dem Einflussbereich des Landes Berlin angeführt werden wie aus der Privatwirtschaft. Das bestehende Förderprogramm und auch die Fördermittel des Bundes reichen als Anreiz nicht, wenn der Staat bei sich selbst weitestgehend passiv bleibt.
Beispielsweise berichtet rbb24 in einem Artikel vom 26.05.2021 über ein Gerichtsurteil zum Unfalltod einer Radfahrerin, in dem das Gericht das von der BVG angeschaffte Assistenzsystem im Unfallbus kritisierte. "Dieses sei lediglich 'eine zusätzliche Sichthilfe', aber kein vollwertiges Abbiegesystem. 'Wenn hier investiert würde, ließen sich Unfälle vermeiden', so die Richter.
"Die BVG erklärte auf Nachfrage des rbb, dass mit neuen Bussen nun auch ein verbessertes System angeschafft würden... Die Kosten dafür müsse die Politik bereit sein, zu investieren... Doch bisher sind nur 170 von rund 1.500 BVG-Bussen damit ausgerüstet. Die für die BVG zuständige Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) teilte dem rbb mit: 'Wir werden das Urteil auswerten und die BVG um Stellungnahme bitten.'"
Unsere Forderung: Eine verbindliche Zeitvorgabe machen und die Finanzierung sichern für die verlässliche Ausstattung der dem Einflussbereich des Landes Berlin zuzurechnenden Lkw mit Abbiegeassistenten.