Die Radfahrausbildung in der Berliner Schule
Ziel der Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung in der Grundschule ist es, die Schüler zu selbstständigen, sicheren, umweltbewussten und nachhaltig handelnden Verkehrsteilnehmern zu erziehen. Der Unterricht knüpft an die Erfahrungen der Kinder an ihrem Wohnort an. Inhaltliche Schwerpunkte sind in den Klassen 1 und 2 der Schulweg und die Verkehrsteilnahme als Fußgänger und als Mitfahrende in Bus und Bahn sowie im Pkw. Die Radfahrausbildung wird in den Klassen 3 und 4 behandelt. Die motorische Förderung findet vom ersten Schuljahr an statt.
Pflicht-Unterricht der Schule, Unterstützung von der Polizei
Die Schulische Radfahrausbildung ist gemäß der Berliner Grundschulverordnung eine Pflichtaufgabe im Unterricht der 3. und 4. Klassenstufe. Sie wird mit der theoretischen und praktischen Radfahrprüfung abgeschlossen. Das bedeutet ausdrücklich, dass in Berlin, anders als in anderen Bundesländern, die Vorbereitung der Kinder und die Durchführung der Prüfung grundsätzlich die Aufgabe der Lehrkräfte ist!
Die Lehrer/innen werden allerdings "nach Maßgabe freier Kapazitäten" und auf Anfrage der Schulen in der Regel schon bei den Übungseinheiten in den Jugendverkehrsschulen und fast immer bei der praktischen Prüfung von den Verkehrssicherheitsberatenden der Polizei Berlin unterstützt.
Praktische Übungen: Jugendverkehrsschule, Schulgelände oder öffentliche Straße
Die Grundschule entscheidet eigenverantwortlich, wo und wie sie die praktischen Übungen organisiert und die Prüfung abnimmt. Folgende Möglichkeiten bestehen (die aufgeführten Aspekte sind nicht gewichtet und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit) und werden in Berlin auch praktiziert:
- Jugendverkehrsschulen: Maßstäblich verkleinerter und geschützter Übungsraum, in dem alle relevanten Verkehrszeichen, mindestens eine Ampel und alle prüfungsrelevanten Situationen als Straßenlayout vorhanden sind. Mitarbeitende der Jugendverkehrsschulen helfen und unterstützen, Situationen können immer wieder hintereinander geübt werden (Vorteile). Nachteilig sind die gegenüber der Realität verkleinerten Maßstäbe aller Straßen, Markierungen und Schilder, es fehlen alle Kraftfahrzeuge und die Stressfaktoren des Realverkehrs.
- Das Schulgelände bietet in der Regel nicht einmal (verkleinerte) Verkehrsflächenmarkierungen, keine Ampel und ist wegen seiner Größe (Schulhof) gegenüber dem Realverkehr viel zu übersichtlich, "Gefahren" können viel früher als in der Realität erkannt werden (Nachteile). Die Schule muss über eigene Fahrräder verfügen. Vorteilhaft ist die wegfallende Fahrt zur Jugendverkehrsschule oder der Aufwand für Sicherungsmaßnahmen im Realverkehr.
- Realverkehr (z.B. ein anliegendes Tempo-30-Gebiet): Durch das Einüben der realen Situationen und Größenverhältnisse bedarf es gegenüber der Übungen in den geschützten Räumen keines Umlernens. Pkw und Lkw sind vorhanden und deren Gefahrenpotenziale können eingeübt/Berücksichtigt werden (Vorteile). Kinder, die noch motorische Probleme auf dem Fahrrad haben, sind im Realverkehr genauso schlecht aufgehoben wie Kinder, die die Regeln erst noch lernen müssen oder kein sicheres Gefühl für Abstände, Entfernungen und Geschwindigkeiten haben. Übungen im Realverkehr müssen mit vielen Personen abgesichert werden, was die Beteiligung der Elternschaft voraussetzt.
Aus unserer Sicht wäre flächendeckend für Berlin eine Kombination aus Besuchen in den Jugendverkehrsschulen und Übungen und/oder Prüfungen im Realverkehr am sinnvollsten. Das kombiniert die Vervollständigung der motorischen Fähigkeiten (z.B. beim Abbiegesignal länger einarmig sicher fahren zu können) und eine ausführliche Regelkunde im geschützten Bereich mit den Erfahrungen des tatsächlichen Verkehrs.
Hintergrund für diese Einschätzung sind die nach der 4. Klassenstufe ansteigenden Unfallzahlen bei Kindern, weil diese dann - nach erfolgreicher Radfahrprüfung - am Realverkehr teilnehmen. Da die allerwenigsten Kids jedoch im Realverkehr geübt haben, scheint die Radfahrausbildung im Schonraum der (Jugendverkehrs-)Schulen noch nicht optimal auf den Großstadtverkehr vorzubereiten. Dabei ist uns aber wichtig zu betonen, dass die aktuelle Radfahrausbildung schon ein hohes Niveau hat und die Kinder ohne sie hochgradig gefährdet wären.
Um dieses Problem zu lösen, arbeiten wir aktuell im Rahmen eines Projekts, das vom Nationalen Radverkehrsplan des Bundes finanziert wird, an einem Ausbildungskonzept, das die geschilderte Problematik löst.
Rechtliche Grundlagen
Die Mobilitätsbildung und Verkehrserziehung wird in § 12 Abs. 4 des Schulgesetzes als eine von etwa zwei Dutzend Querschnittsaufgaben benannt, die in der Schule als "übergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgaben" "in den Fächern, fachübergreifend, in Lernbereichen und im Rahmen spezifischer Angebote und Projekte der Schule berücksichtigt" werden.
Die Radfahrprüfung in der 4. Klassenstufe ist in § 13 der Berliner Grundschulordnung geregelt:
"In Jahrgangsstufe 4 wird in Zusammenarbeit mit der Polizei die Radfahrprüfung durchgeführt, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht. Beide Teile sind schulische Veranstaltungen und unterliegen der Aufsicht der Schule. An der theoretischen Radfahrprüfung nehmen alle Schülerinnen und Schüler teil. Wer die theoretische Prüfung bestanden hat, darf an der praktischen Radfahrprüfung teilnehmen, sofern das schriftliche Einverständnis der Erziehungsberechtigten vorliegt.
Nach bestandener Prüfung erhalten die Schülerinnen und Schüler den Radfahrschein von ihrer Schule. Wer die Prüfung nicht bestanden hat, darf sie wiederholen. Das Bestehen der Prüfung, auch das Bestehen allein des theoretischen Teils, ist auf dem Zeugnis zu vermerken."